Ein Kinofilm hat ein unabdingbares Element: Das Bild. Daher scheint logisch: Ein Film ist sichtbar. Diese Logik gilt in Italien nicht mehr für alle Filme. Seit 4 Jahren, mit dem Amtsantritt des Silvio Berlusconi, gibt es in Italien unsichtbare Kinofilme. Es sind die Filme unabhängiger Autoren, die Filme eines Neuen Italienischen Kinos.
Ihr Schattendasein verdanken sie dem Einfrieren von Filmförderungen, der Abschaffung von Sendeplätzen, der juristischen Einschüchterung und dem Vertriebsboykott. Es sind dies die Spielarten einer Zensur, die sich gegen die politische und künstlerische Meinungsfreiheit in Italien richtet.
Am 14.Februar 2005 fand im römischen Teatro Eliseo eine Protestveranstaltung gegen die Kürzungen im Kulturbereich statt. Anwesend waren viele bekannte Kunst- und Kulturschaffende des Landes. Sie kamen, sich zu solidarisieren und ihrem Unmut gegen die Regierung Luft zu machen. Filmemacher wie Gillo Pontecorvo, Cito Maselli, Mimmo Calopresti und der wunderbare Ettore Scola erhoben sich jubelnd von ihren Plätzen, als der gemeinsame Kampf gegen die Kulturpolitik eines Silvio Berlusconi von der Bühne aus verkündet wurde.
Dieser Moment ging unglaublich nahe. So viel geballte Wut in einem Saal und auch Kraft und der Wille, endlich etwas unternehmen zu wollen.
Auf dieser Veranstaltung lernte ich eine Gruppe junger Filmemacher kennen, die sich „16/12“ nennt. Der Name „16/12“ deshalb, weil am 16.12.2004 der Staat beschlossen hat, Filmförderungen, die bereits zugesagt worden waren, einzufrieren. Seit 40 Jahren gibt es in Italien eine Ausschreibung zur staatlichen Förderung von Filmprojekten. Diese wurde nun erstmals in der Geschichte dieser Förderung nicht ausbezahlt, obwohl die Gewinner des Wettbewerbs einen Rechtsanspruch darauf haben. Begründung: Generelle Kürzungen des Kulturetats.
Chiaro diario nenne ich meine Bestandsaufnahme zum Neuen Italienischen Kino, also "reines" oder "sauberes" Tagebuch, sinngemäß: "im Klartext". Angelehnt ist dieser Titel an den bekannten Film Caro diario ("Liebes Tagebuch") des italienischen Vorzeigeregisseurs Nanni Moretti, der darin im Jahr 1993 sein Land einer Inventur unterzieht.